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Titel: Snow White and the Huntsman
Kategorie: Parallelwelten
Letzte Änderung: 26.11.2015 um 20:18 Uhr
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Snow White and the Huntsman
Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer erlöst das ganze Land? Die moderne Schneewittchen-Verfilmung interpretiert den Kampf um die ewige Schönheit komplett neu und offenbart tiefste Sehnsüchte des Menschen.
In einer Zeit, da es immer schwieriger wird, etwas wirklich Neues zu schaffen, erleben alte Märchen ihre Renaissance im großen Kino. Nach der gruseligen Rotkäppchen-Verfilmung
Red Riding Hood
wird nun auch Schneewittchen zur attraktiven Kriegerin. In
Snow White and the Huntsman
liefern sich Kristen Stewart und Charlize Theron ein sprichwörtlich herzzerreissendes Gefecht hinter den sieben Bergen.
[1]
Ort des Geschehens ist eine bezaubernde Fantasy-Welt mit Trollen, Zwergen, Feen und einer Flora, wie wir sie zuletzt in
Avatar
gesehen haben. Bekannte Motive wie die böse Stiefmutter, die sieben Zwerge und das Spieglein überraschen mit einem ganz neuen, wenig kindgerechten Anblick und herrlich unverhofften Wendungen. Eine brillante Gratwanderung zwischen den Gebrüdern Grimm und Tolkien. Ein Aspekt des Filmes ist im klassischen Märchen aber gänzlich unbekannt: Schneewittchen als
Erlöserin vom Bösen.
Kristen Stewart als Snow White liegt leblos im Schnee.
Dem aufmerksamen Zuschauer werden ein paar Details aufgefallen sein, die für die Handlung nicht unbedingt notwendig wären, aber auf eine ganz spannende Metapher hinweisen. Es beginnt damit, dass Schneewittchen, einsam und gefangen im kalten Nordturm, das Vater Unser spricht. Nicht gerade üblich im High-Fantasy-Genre. Klarer wird es in einer späteren Szene, da Schneewittchen mit den Zwergen im paradiesischen Feenland rastet. Im Morgengrauen wird sie von zwei putzigen Feen auf eine heilige Lichtung geführt, wo ihr der große,
weiße Hirsch des Waldes
begegnet. Das prachtvolle Tier neigt sein mächtiges Haupt vor dem jungen Mädchen. Sogleich erklärt der Älteste der Zwerge, welche die Szene aus gebührendem Abstand beobachten, die Symbolik dahinter: Der Hirsch
segnet
Schneewittchen. Sie sei die
Auserwählte
und die Einzige, die durch ihr
unschuldiges Blut
die böse Königin Ravenna vernichten könnte. Alle Zwerge, der Jäger Eric und Schneewittchens Jugendliebe William schwören ihr daraufhin ewige Treue:
"Wo sie hin geht, will auch ich hin gehen."
Somit wird Schneewittchen zur Heldin und Hoffnungsträgerin des Guten. Und dann passiert das, was am Anfang jeder erwartet, aber durch geschicktes Verwirrspiel doch wieder vergessen hat: Schneewittchen wird durch einen vergifteten Apfel getötet. Da liegt sie nun, und weder die Heilkunst der Zwerge noch der Kuss Williams bringt sie zurück. Ein einziger Moment lässt jegliche Hoffnung zerspringen wie Scherben einen Spiegel. Schauderhaft!
Spätestens bei dieser Fülle symbolischer Elemente wird die Analogie zur biblischen
Heilsgeschichte
klar: Ein "Auserwählter", der aufgrund seiner Schuldlosigkeit als Opfer dienen kann, wird scheinbar kurzzeitig besiegt, kehrt dann aber triumphal von den Toten zurück, um dem Bösen endgültig die Macht zu nehmen. Erstaunlich, wie stark dieses Muster in Hollywood verankert ist und besonders in Fantasy-Streifen offenbar wird. Dieses Mal ist der Erlöser eben eine Frau.
Um dieses Schneewittchen wiederzubeleben, war allerdings der Kuss von zwei Männern nötig. Auf jeden Fall steht sie kurz darauf wieder vor uns, quicklebendig und aggressiver denn je. In einer finalen Schlacht führt sie die freien Völker der sieben Berge und die sechs Zwerge in die Schlacht gegen Ravenna, die trotz zahlreicher, fieser Tricks doch endgültig besiegt wird.
"Du kannst mein Herz nicht haben"
sagt Schneewittchen ruhig und friedlich zur sterbenden Schwiegermutter, deren Schönheit von einem Augenblick auf den anderen verblüht.
Über zwei Stunden sehnt man sich nach einem Happy End und fiebert mit Schneewittchen der Vernichtung des Bösen entgegen. Und dann ist der Film vorüber. Die harte Realität ist zurück, in der Happy End's so rar gesät sind. Kein Wunder, so ganz ohne Erlöser/in. Aber ich kann dich beruhigen: Es gibt auch in unserer Welt einen, der reines Blut hatte und den Tod vernichtet hat. Die
menschliche Sehnsucht
nach diesem Retter, die sich in Filmen wie
Snow White
zeigt, ist nicht aus der Luft gegriffen. Doch um den wahren Auserwählten zu finden, muss man dort suchen, wo man ihn nicht erwartet. Nicht in Stärke, nicht in Reichtum, nicht in Schönheit. Sondern geschunden, arm und verlassen – an einem Holzkreuz hingeschlachtet.
Verwendete Literatur
[1] | "Snow White and the Huntsman", Rupert Sanders, 2012 |
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